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Ich, die Alte ...

Wenn ich früher vor dem Spiegel stand

und meine ersten Falten fand,

Ihr glaubt nicht, wie mich das bedrückte,

weil doch das Alter immer näher rückte.

Heute sehe ich mit Schmunzeln

jeden Tag ein paar neue Runzeln.

Jedoch, in meinem Alter kann ich Falten tragen,

im Rock, im Gesicht und über'm Kragen.

So brachte das Alter mir Gewinn.

Ich freu mich, dass ich 'ne Alte bin.

Zähneputzen nicht vergessen

und nachher nichts Süßes mehr essen.

So hieß es doch immer auf dem Weg ins Bade.

Dabei hatte ich gerade abends Hunger auf Schokolade.

Doch heute bin ich so gut dran,

dass ich nachts ruhig schleckern kann.

Die Zähne derweil im Glase liegen.

Die können keinen Karies mehr kriegen.

So brachte das Alter mir Gewinn.

Ich freu mich, dass ich 'ne Alte bin.

Scheinen Fenster und Gardinen grau,

dann nehm ich die Brille ab und seh' es nicht mehr genau.

Auch so brachte das Alter mir Gewinn.

Ich freu mich, dass ich 'ne Alte bin.

(c)Unbekannt

Dieses Gedicht schrieb eine alte Frau, die seit langem in einem Pflegeheim

in Schottland lebte und von der man meinte sie sei desorientiert.

Nach ihrem Tod fand man dieses schöne Gedicht bei ihren Sachen.

Was seht ihr Schwestern?

Was seht ihr Schwestern,was seht ihr?

Denkt ihr, wenn ihr mich anschaut: Eine mürrische alte Frau,

nicht besonders schnell, verunsichert in ihren Gewohnheiten,

mit abwesendem Blick, die ständig beim Essen kleckert,

die nicht antwortet, wenn ihr sie anmeckert, weil sie wieder nicht pünktlich fertig

wird.

Die nicht so aussieht, als würde sie merken, was ihr macht und ständig den

Stock fallen lässt und nicht sieht, wo sie geht,

die willenlos alles mit sich machen lässt: Füttern, waschen und alles,

was dazu gehört.

Denkt ihr denn so von mir, Schwestern, wenn ihr mich seht, sagt?

Öffnet die Augen, Schwestern! Schaut mich genauer an!

Soll ich euch erzählen, wer ich bin, die hier so still sitzt,

die macht, was ihr möchtet und ißt und trinkt, wann es euch passt?

Ich bin ein zehnjähriges Kind,

mit einem Vater und einer Mutter,

die mich lieben und meine Schwester und meinem Bruder.

Ein sechzehnjähriges Mädchen,

schlank und hübsch, die davon träumt, bald einem Mann zu begegnen.

eine Braut, fast zwanzig,

mein Herz schlägt heftig beim Gedanken an die Versprechungen,

die ich gegeben und gehalten habe.

Mit fünfundzwanzig noch habe ich eigene Kleine,

die mich zu Hause brauchen.

Eine Frau mit dreizig,

meine Kinder wachsen schnell und helfen einander.

Mit vierzig,

sie sind alle erwachsen und ziehen aus.

Mein Mann ist noch da und die Freude nicht zu Ende.

Mit fünfzig kommen die Enkel, die sie erfüllen unsere Tage,

wieder haben wir Kinder - mein Geliebter und ich.

Dunkle Tage kommen über mich, mein Mann ist tot.

Ich gehe in eine Zukunft voller Einsamkeit und Not.

Die meinen haben mit sich selbst zu tun,

aber die Erinnerungen von Jahren und die Liebe bleiben mein.

Die Natur ist grausam,

wenn man alt und krumm ist und man wirkt etwas verrückt.

Nun bin ich eine alte Frau,

die ihre Kräfte dahin siechen sieht und der Charme verschwindet.

Aber in diesem alten Körper wohnt immer noch ein junges Mädchen,

ab und zu wird mein mitgenommenes Herz erfüllt.

Ich erinnere mich an meine freunde,

ich erinnere mich an meine Schmerzen und ich liebe und lebe mein Leben noch

einmal, das all zu schnell an mir vorüber

geflogen ist und akzeptiere kühle Fakten, das nichts bestehen kann.

Wenn ihr eure Augen AUFMACHT, SCHWESTERN!

So seht ihr nicht nur eine mürrische alte Frau.

Kommt näher, seht

MICH!

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